Am vergangenen Samstag hatte am Badischen Staatstheater in Karlsruhe die Oper Werther von Jules Massenet Premiere. 1892 in Wien uraufgeführt ist die Oper entstanden nach dem Briefroman Die Leiden des jungen Werthers von Johann Wolfgang Goethe. Darin verarbeitet Goethe eine eigene glücklose Liasion und verwendet den Selbstmord eines Gesandtschaftssekretärs in Wetzlar.

Im Jahr 1771 verliebt sich Werther in die bereits versprochene Charlotte und verlässt ohne Hoffnung das Dorf. Als er nach Charlottes Hochzeit doch zurückkehrt und beide dann die Unmöglichkeit einer Beziehung erkennen, leiht er sich von Charlottes Mann Albert zwei Pistolen und erschießt sich.

Hmmm …

Massenet hat mit Werther eine musikalisch wunderschöne Oper geschaffen, die aber leider etwas handlungsarm ist. Die Geschichte aus der Vorlage wird auf ihren Kern reduziert und die Gemützustände der Protagonisten schwanken zwischen Verzweiflung und Verzweiflung.

Robert Tannenbaum und Christian Floeren beginnen die Inszenierung während der Overtüre mit einem bewegenden Bild: Sophie steht trauernd am Grab von Werther, während Charlotte verzweifelt daneben sitzt und Albert im Hintergrund steht. Somit ist der Ausgang der Geschichte vorweg genommen und der erste Akt kann im Haus des Amtmann beginnen. Die Handlung ist verlegt in ein tristes 20. Jahrhundert mit elektrischem Strom und einem Fernseher auf der Stube. Nur Charlotte und Werther stechen in den ersten beiden Akten mit etwas Farbe in den Kostümen hervor, die von Ute Frühling gestaltet wurden. Mutig, die Entscheidung Sophie mit einer Gehbehinderung darzustellen. Die Bühne bleibt von Beginn an beweglich mit zwei Wänden, die von links oder rechts die nicht im Fokus der Handlung befindlichen Teile verdecken und den Blick auf das Wesentliche lenken. Bemerkenswert auch der geniale Übergang zwischen dem dritten und dem vierten Akt.

Die Badische Staatskapelle brachte die Musik Massenets nach einem verhaltenen Beginn unter der Leitung von Daniel Carlberg sehr gefühlvoll zu Gehör und bot den Sängern eine zu jeder Zeit passende Grundlage für ihre Darbietung. Silvia Hablowetz als Charlotte und Keith Ikaia-Purdy als Werther zeigten beide eine ausgezeichnete Leistung und ergänzten sich wunderbar. Vor allem Silvia Hablowetz konnte man am Ende auch ansehen, wieviel Spaß sie an dieser Rolle, trotz der notwendigen Anstrengungen, hatte. Der Italiener Armin Kolarczyk gefiel als Albert in seiner ersten Premiere in Karlsruhe. Herausfordernd war sicherlich auch die Rolle der Sophie für Ina Schlingensiepen, da sie wegen der Gehbehinderung der Sophie die komplette Aufführung mit zwei Beinschienen absolvieren musste. Doch meisterte sie dies auch schauspielerisch sehr gut.

Am Ende bekamen Darsteller und Orchester begeisterten Applaus vom Karlsruher Publikum, welches es sich aber nicht nehmen ließ, Regie, Bühne und Kostüme mit ausführlichen Buhrufen zu bedenken. Allerdings ist es schwierig nachzuvollziehen, warum deren Leistung nicht gefallen hat. Regisseur Tannenbaum hat eine handlungsarme Oper mit einer abwechslungsreichen Inszenierung versehen, manche Einfälle, etwa die Gehbehinderung der Sophie, scheinen zwar nur wenig in der Geschichte begründet, sorgten aber trotzdem für Abwechslung. Einzig die Bühne im dritten Akt schien mit der riesigen Madonnenstatue etwas verworren.