Starkult liegt mir eigentlich fern, aber Anna Netrebko wollte ich schon immer einmal live in einer Opernaufführung erleben. An diesem Wochenende war es dann soweit. Nach vergeblichen Versuchen, an die passenden Karten für eine Vorstellung in Wien zu kommen, hat es in Paris geklappt. Für die Aufführung von L’elisir d’amore von Gaetano Donizetti mit Anna Netrebko als Adina und Giuseppe Filianoti als Nemorino hatten wir Karten erstehen können.
Die Handlung von L’elisir d’amore ist schnell erzählt: Bauer sucht Frau. Frau liebt Soldat. Arzt hilft Bauer. Bauer erbt Geld. Frau liebt Geld, äh, Bauer.
Hmmm …
Die Aufführung selbst fand in der modernen Opéra Bastille statt und nicht im historischen Palais Garnier, wo seit 1989 hauptsächlich noch Ballettvorstellungen aufgeführt werden. Die Bastilleoper liegt am Place de la Bastille und ist mit moderner Bühnentechnik ausgestattet. Die Sicht von allen Plätzen des 2703 Plätze umfassenden großen Saals ist sehr gut, die Akustik gehört aber wohl nicht zu den besten. Unsere Sitze waren links von der Mitte in der zweiten Reihe, die in Wirklichkeit die erste war, da die eigentliche vorderste Reihe nur genau in der Saalmitte vorhanden war. Hervorragende Plätze um in die Oper einzutauchen, etwas schlechter für einen ausgewogenen Orchesterklang.
Die Inszenierung siedelt die Handlung der Oper im ländlichen Italien der 50er und 60er Jahre an und die Bühnenbilder wechseln zwischen einem Feld mit Heuballen, einer Taverne und dem Dorfplatz eines kleinen Ortes. Viele Details und passende Kostüme sorgen auch für den optischen Genuss der Aufführung. Besonders in der ersten Szene des ersten Akts sorgte die große Pyramide aus Heuballen für schwungvolle Bewegung bei den Darstellern und außergewöhnliche Positionen, in denen gesungen werden musste. Die zweite Szene zeigte dann einen Lastwagen des Quacksalbers Dulcamara vor einer Taverne und die erste Szene im zweiten Akt den Dorfplatz, auf dem die Hochzeit gefeiert werden sollte. Zum Schluss fanden sich die Darsteller dann wieder zwischen Heuballen wieder und durften neben ihrem Gesang nochmals ihre Beweglichkeit darbieten.
Das Orchester machte seine Sache gut an diesem Abend und ließ sich auch nicht durch eine Zwangspause zwischen den ersten beiden Szenen durcheinanderbringen, als der Vorhang mehrere Minuten lang klemmte und mehrmals einen Neuanfang der zweiten Szene erforderte. Paolo Arrivabeni am Dirigentenpult nahm es humorvoll und forderte von seinen Musikern eine schöne Leistung ab. Mehr Arbeit hatte er mit dem Chor, den er ein paar Mal auf das Tempo des Orchesters einbremsen musste.
Die Leistung der Sänger war umwerfend. Während bei Giuseppe Filianoti an der einen oder anderen Stelle vereinzelt eine Schwäche auszumachen war, kann man die Darbietung von Anna Netrebko an diesem Abend nur mit perfekt umschreiben. Allein an einer einzigen Stelle hielt sie einen Ton etwas angeberisch lange (Achtung, Ironie). Beiden war aber der Spaß an der Aufführung in jeder Sekunde anzumerken und Anna Netrebko schaffte es, die junge, etwas überhebliche Adina auch darstellerisch hervorragend zu verkörpern, während Giuseppe Filianoti den dahinschmachtenden, aber auch leichtfertigen jungen Bauer gab. Sehr gut gefallen hat mir neben George Petean als Belcore auch Paolo Gavanelli als Il Dottor Dulcamara, nicht nur im fantastischen Duett mit Adina, sondern ingesamt als ausgesprochen detailreicher Bassbariton.
Für mich ein unglaublicher Opernabend. Ich mag zwar eher mutigere Inszenierungen, aber durch die vielen Details war dieser Abend zu keinem Zeitpunkt fade. Auch wenn ich eigentlich gerne jegliche Kleinigkeit kritisiere, bei der Darbietung von Anna Netrebko fällt mir zu Gesang und Darstellung nichts zu mäkeln ein.